KUNSTHALLE | FRO präsentiert
Gerold Tagwerker
mirror.disc_after(the party)

 

UNSER LEITMEDIUM ORF IM DUNKLEN SPIEGEL

Für die Kunst Gerold Tagwerkers ist der Spiegel seit zwanzig Jahren ein magisches Gerät, Metapher und Objekt. Jeder Mensch hat das Bedürfnis in seinem Verhalten und Gefühlen gespiegelt zu werden. Spiegel fördern die Selbstwahrnehmung und helfen uns besser kennenzulernen. Gerold Tagwerkers Raumkunst bespielt den Eingangsbereich des Landesfunkhauses in Dornbirn. Im Volksmund „Peichl-Torte“ genannt, aufgrund Gustav Peichels Spiralgrundrisse sämtlicher Landesstudios in den Bundeshauptstädten.

Erstmals experimentiert der Künstler in seiner Lichtinstallation mit dem „Dunklen Spiegel“, dem virtuellen Widerschein in der spiegelnden Oberfläche auf hochglänzend schwarzem Grund.

Sollte nicht nur das Sichtbare, sondern auch dessen dunkler Schatten gespiegelt werden?

Vielleicht der Schatten der Selbstdarstellung, Repräsentation und Macht, die der öffentlich-rechtliche Staatsfunk wirft?

Mächtig wirkt jedenfalls das nüchterne, kühl-glänzende Foyer des Landesstudios: Hochglanz-Fußboden, rundum fast alles weiß, keine Farben, glasverspiegelte Geländer im ersten Stock. Ein weißer zweigeschossiger Leerraum bis zum Dachfenster offen. Im Brennpunkt, dem Eingang gegenüberliegend hängt wie ein „abgestürzter Luster“ knapp über dem Boden die schwarze, runde Scheibe. Sie wirft ihren dunklen Schatten auf den weißen Hochglanz-Fliesenboden. Eine Antithese eines üppigen, funkelnden Kronleuchters als Hoheitszeichen der Macht des Fernsehens. Armselig baumelt der „Luster“ an einer Meterware-Gliederkette aus dem Baumarkt, garniert mit drei bescheiden flackernden „Russischen Lustern“, d.h. nackten Glühbirnchen in schwarzer Billig-Fassung. Reflektiert wird nicht nur die hässliche Oberlichte, sondern auch die leere Atmosphäre des Entrées.

Man kann sich beim Schauen selbst zusehen. Unwillkürlich begegnen sich Kunst und Betrachter und laden zu Reflexion und Fragen ein: zum Beispiel, warum ist das Landesstudio nicht in der Landeshauptstadt, sowie alle anderen acht Peichl-Bauten? Zeigt sich „hinter dem Spiegelbild“ das dem Spiegel in Mythen und Märchen bekannte Symbol der Eitelkeit, der Stolz ein vorgeblich unabhängiges Medium zu sein? Kritisiert der Künstler humorvoll-provokant mit dem „abgestürzten“ Lichterspiel die willfährige journalistische Unterwerfung, statt unabhängiger und ausbalancierter Meinungs- und Medienvielfalt?

Selbst heute noch hält sich die Vorstellung, ein Spiegel könnte die Seele rauben.

Könnte der baumelnde Anti-Chandelier für die mangelnde Balance, Transparenz und gefilterte Berichterstattung stehen? Immerhin wird Österreich im Pressefreiheit-Index auf Top 29 hinter Moldavien gelistet. Kritische Medien stehen immer stärker unter Druck. Österreich ist das einzige Land in der EU ohne Informations-Freiheitsgesetz.

In der Kommunikationswissenschaft heißt „spiegeln“ Vertrauen etablieren, Beziehung vertiefen, Verständnis und Interesse signalisieren. In diesem Sinne wird Gerold Tagwerker nicht nur dem ORF einen „Spiegel vorhalten“, sondern auch mit dem Publikum in Resonanz treten. 

Walter König (FA f.Psychiatrie u Neurologie, Architekt, Psychotherapeut); Wien 2024

 

Gerold Tagwerker (*1965 in Feldkirch, Österreich) 
setzt für seine zwei- und dreidimensionalen Arbeiten
vor allem auf alltägliche und industriell vorgefertigte Materialien wie
etwa Spiegel, Gitterroste, Leuchtstoffröhren, Aluminiumrohre
oder Spanplatten. Auch die Fotografie spielt bei ihm
werkstrategisch eine wichtige Rolle. 

Anhand von vielfach modular aufgebauten Werkkomplexen reflektiert er über
die Raster (Grids) von Architekturen, Stadtbildern sowie der menschlichen
Existenz und dekodiert gleichermaßen die Strukturen, aus denen die
Welt gebaut ist.

Ausstellungsort:
KUNSTHALLE FRO
ORF-Landesfunkhaus Vorarlberg Dornbirn, Rundfunkplatz 1

Die Arbeit ist täglich in der Zeit von 17:00 – 19:00 Uhr vom 31. Jänner bis zum 26.Mai 2024 zu sehen.

Der Eintritt ist frei.